Lars Odefey

Wenn ich an einen Geflügelbauern denke muss ich unweigerlich an einen alten, grummeligen, dickbäuchigen Mann denken, der mit seinem roten Kopf und aufgeplusterten Backen mit seiner Schrotflinte vor dem Haus steht und die Kinder vom Hof jagt, die ihren Fußball wieder holen wollen. Vielleicht schwingt meine eigene Erinnerung etwas mit aber dieses Vorurteil bekomme ich nur sehr schwer aus dem Kopf.

Odefey und Töchter. Bresse Hahn im Stall. Rudi Mehlgarten unterwegs mit Kochen ist Emotion und Lars Odefey

In Niedersachsen, um genauer zu sein in der Lüneburger Heide, liegt das beschauliche Dorf Mehre bei Uelzen. Dort bin ich morgens um 9 Uhr mit Lars verabredet. Ich habe mich darauf eingestellt das wir erst einmal ein bisschen Quatschen und entspannt in den Tag starten – dachte ich.

Ein Tag im September

Ich werde sehr herzlich empfangen und direkt ins Schlachthaus gelotst. Nachdem ich meine Kleidung bekommen habe, die zur Einhaltung der Hygienerichtlinien erforderlich ist, geht es direkt weiter in die Vorbereitungsküche. Dort lernte ich Hedwig und Elisabeth kennen. Die zwei Damen sind dafür zuständig die Hühner fachgerecht auszunehmen und transportfertig zu machen. Mir fällt als Erstes auf, dass es unheimlich ruhig ist. Im Hintergrund läuft leise das Radio, die Damen quatschen und beschweren sich darüber, dass auf der A1 der übliche Stau vorherrscht.

Wir gehen in den nächsten Raum, indem es relativ dunkel und kühl ist. Er ist mit schönen, bunten Kacheln gefliest und erst bei genauerem Betrachten fällt mir auf, dass die Kacheln ein großes Bild ergeben. Zu sehen ist, wie zu erwarten, ein großer Hahn. Es riecht etwas nach frischem Heu und aus irgendeinem Grund nach Hühnerbrühe. In einer Ecke stehen Körbe, in denen die Hühner schlafen. Sie wurden schon am Vorabend bei Dämmerung eingefangen. Der einzige Moment, in dem die Hühner etwas zu meckern haben, ist als Lars sie aus dem Korb nimmt und so zwangsläufig wecken muss. Dann sitzen sie auf seinem Arm und schlafen fast wieder ein. Im nächsten Moment sind sie auch schon betäubt, tot, gerupft und liegen bei Hedwig auf dem Tisch.

Teepause

Nach getaner Arbeit gehen wir erst einmal in die Wohnung und wärmen uns mit einem frisch aufgebrühten Tee auf. Richtig leckeres Brot, etwas Butter und Wurst gibt es zur Stärkung oben drauf. Lars´ Freundin macht sich eben auch noch eine Stulle und nun sitzen wir zusammen am Esstisch und unterhalten uns über Gott und die Welt.

Bis vor knapp drei Jahren arbeitete Lars bei einer Firma in Berlin. Sein Alltag spielte sich zwischen Excel-Tabellen und dem Telefon ab. Für seinen letzten Betrieb musste er etwa 1500 Tonnen Fleisch die Woche einkaufen. Kein Wunder also, dass er sich letztendlich für den eigenen Hof entschieden hat.

Sein Vater bewirtete damals schon den Hof mit Kartoffeln, Möhren, Beeren und eben auch schon mit Hühnern. Für Lars kam es nicht in Frage seinem Vater nicht zu helfen. „Das sei selbstverständlich gewesen“. Genauso selbstverständlich ist für Ihn die natürliche Haltung seiner Tiere. Von Bio-Richtlinien hält er nicht viel, denn was er seinen Weidehühner an Fläche gibt liegt weit über jedem Bio – Standard.

Der Gedanke

Das macht es nämlich besonders. Lars denkt nicht konventionell und profitorientiert, sondern richtig. Vom brüten der Eier bis hin zur Schlachtung geschieht alles auf dem Hof und durch seine eigene Hand. Mit viel Hingabe und fast schon väterlich kümmert er sich um seine Hühner. Natürlich dreht sich alles um das Thema der Nachhaltigkeit. Ein simples Beispiel ist folgendes: Um seine Weidehühner vor den natürlichen Feinden, wie Greifvögeln oder Füchsen zu schützen, setz Lars auf Schafe, die mit den Hühnern zusammenleben

Die Selbstständigkeit fühlt sich für ihn nicht als solche an, denn die Grenzen zwischen Arbeit, Familie und Freizeit verschwimmen ineinander.

Das ist auch die größte Motivation gewesen als er sich dafür entschieden hat, sich dem Hof seines Vaters anzunehmen und Odefey & Töchter ins Leben zu rufen.

Draußen in der Natur. Barfuß über den Rasen. Staubiger Heuduft in der Scheune. Knisternd reifes Getreide auf dem Acker. Kann das noch Arbeit sein?

Gedankengang

Während ich nach Hause fahre muss ich mir mein Bild eines Geflügelbauern redlich überdenken. Lässig, bedacht und herzlich. So kann man Lars in drei Worten beschreiben. Den dicken Bauch und die Schrotflinte muss ich gedanklich auch streichen. Und dem Fußballspielen ist man beim nächstem Hühnerfest bestimmt auch nicht abgeneigt.

Es ist immer schön zu sehen, wenn kleine Betriebe etwas bewegen wollen und können. Für mich hat Lars alles richtig gemacht, er hat die richtige Einstellung, die richtigen Wertvorstellungen und einen guten Blick für Wirtschaftlichkeit und handelt ökonomisch Sinn- und Wertvoll. Es könnten ruhig mehr solcher Betriebe geben. Es muss aber es muss auch Menschen geben die bereit sind, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und bereit sind auch mal ein Euro mehr auszugeben. Nur so unterstützt man Artgerechte Tierhaltung und glückliche Hühner

Lars Oderfey bei der Arbeit. Mit kochen ist Emotion und Rudi Mehlgarten als Fotograph unterwegs .
Lars Odefey